Rheinradweg – Tag 4 – Von Plittersdorf nach Karlsruhe

20 10 2013

Sonntag!
Endspurt!

Nach einer unruhigen Nacht mit Gewitter bin ich um 5:00 wach und kann draussen auf dem Weg zur den Waschräumen einen wirklich dramatischen Nach-Gewitter-Nacht-Himmel mit Fast-Vollmond geniessen.
Es ist zwar sehr früh und ich bin müde, aber es regnet nicht mehr und das will ich nutzen.

Heute heisst es, noch mindestens 40km bis Karlsruhe zum Hauptbahnhof zu fahren und von da aus mit der Bahn nach Köln zurück zu kommen.

Ich schaffe also wie jeden Morgen alles in Richtung Waschküche/Dusche zum Lüften/Trocknen.
In der Waschküche gibt es eine funktionierende Heizung, also die Gelegenheit, die Handtücher und Spültücher morgens schon richtig trocken zu bekommen. Isomatte und Schlafsack haben am Fußende auch etwas Kondenswasser abbekommen, also hänge ich die gleich mit dazu!
Dann das Zelt abbauen: Durch das Gewitter ist vom benachbarten Baum wieder viel Laub herunter geweht worden und obwohl ich diesmal nicht unmittelbar darunter gestanden habe, sieht das Zelt aus wie mit Laub paniert. Also erstmal Überzelt entlauben und dann alles auf sauberen Untergrund schaffen und zusammen packen.

Nach wieder etwa 1,5 h (Ich glaube, viel schneller wird´s einfach nicht!) ist alles soweit verpackt und abfahrbereit….und natürlich fängt es gerade jetzt wieder an zu regnen!!
War ja klar!!!
Mist!!!
Also die Regensachen ausgepackt und angezogen. Da es in der Waschküche so herrlich trocken und warm ist, lungere ich noch ein  wenig rum, vielleicht hört´s ja doch noch auf……
Nach einer halben Stunde Warten und Emailschreiben komme ich zu der Erkenntnis, das der Regen in absehbarer Zeit offensichtlich nicht weniger werden wird und fahre los.
So schlimm ist es dann aber auch nicht. Es regnet zwar stetig, aber nicht in Strömen und die Regensachen halten das meiste ab.
Besonders froh bin ich über die Überschuhe, denn das meiste Wasser kommt über den Vorderreifen auf die Schienenbeine und Schuhe.
Nach den schlechten Erfahrungen im April habe ich mir zwar wasserdichte Goretex-Schuhe zugelegt, aber die Pfützen-Dusche hätten auch die nicht auf Dauer überstanden.

So fahre ich also im Regen, aber im besten Wortsinn „trockenen Fußes“ in Richtung Karlsruhe.
Den Rhein bekomme ich erstmal garnicht zu sehen, nur Hochwasserdämme im Hinterland, auf denen es kreuz und quer durch das potentielle Hochwasser-Überschwemmungsgebiet geht.
Ich begegne auch ein paar Jägern auf dem Weg zur Jagd und grüße noch freundlich. Als ich allerdings kurz danach die ersten Schüsse höre, lege ich einen Gang zu, für den Fall, das die mich für fliehendes Wild halten.

Der Weg gibt nicht viel her, aber nach 2h und einer Trockenpause unter einer Biergarten-Markise hört es wenigstens irgendwann auf zu regnen.

Biergarten

Noch eine halbe Stunde später komme ich dann doch noch mal zum Rhein und verabschiede mich von ihm, denn jetzt verlasse ich den Rheinradweg am „Rheinstrandbad Rappenwörth“ und folge ab hier den Rad-Schildern „Karlsruhe Zentrum“. Vom Rhein aus sind es noch ca. 12 km.
Der Weg folgt zuerst der Stadtbahnlinie 6 und biegt dann in einen Grüngürtel ab, der sich entlang der Alb durch Karlsruhe bis zum Hauptbahnhof schlängelt.
Kurz vor dem Hauptbahnhof halte ich an einem Brunnen an und befreie Rad, Taschen sowie mich selbst von den gröbsten Schlammspuren.
Danach komme ich gegen 11:15 am Bahnhof an und jetzt gibt´s natürlich erstmal Frühstück … und zwar McFrühstück!!
2 EggMcMuffin + 1 Capuccino!

So gestärkt begebe ich mich ins DB-Reisecenter und besorge mir ein Ticket zurück nach Köln. Einen Platz für´s Rad kann mir der freundliche Bahn-Mitarbeiter zwar nicht reservieren, aber da auf den Hinfahrt viele Fahrradplätze frei waren, mache ich mir wenig Sorgen.

Jetzt heisst es, Zeit totschlagen bis 14:12.

Zuerst steuere ich das Büro der Bahnpolizei an:
Auf dem Weg hierher habe ich auf dem Radweg ein Mobil-Telefon gefunden (Samsung S2, laut eingestellter Menü-Sprache einem Osteuropäer gehörig), und nach einem kurzen Augenblick krimineller Energie („Wer´s findet, darf´s behalten!!“), habe ich mich doch dazu entschieden, es bei den Behörden abzugeben. Da ich jedoch keine Ahnung habe, wo ich hier ein Fundbüro oder eine örtliche Polizei-Wache finde, denke ich, das die Bundes-Polizei als Ansprechpartner auch nicht völlig daneben ist, schliesslich werden die ja sogar noch eher von meinen Steuern bezahlt als die Polizei von Baden-Würtemberg ;o)

Da es ausgesprochen peinlich wäre, wenn während des Besuchs der Polizeiwache mein Rad geklaut werden würde, suche ich mir einen schön überschaubaren Platz in der Bahnhofshalle und sichere Rad und Taschen mit einem langen Stahlkabel, das ich durch alle Taschengriffe und Räder fädele, um die Gepäckrolle wickele und schlussendlich mit dem Bügelschloss abschliesse. Bisher habe ich das lange Kabel nicht wirklich gebraucht, aber jetzt im Bahnhof bin ich doch froh, es mitgenommen zu haben. Ein ambitionierter Gepäckdieb mit einem scharfen Taschenmesser könnte zwar immer noch die Taschen klauen, indem er die Griffe durchschneidet, aber das Risiko muss ich wohl eingehen.

Diebstahlsicherung

Der Weg in den ersten Stock zur Bundes-Polizeiwache eröffnet eine eindrucksvolle Perspektive auf die Bahnhofshalle und ich bin nach den schönen Bildern am Rhein-Rhone-Kanal zum zweiten Mal auf dieser Reise etwas enttäuscht, nur die kleine Kamera dabei zu haben.
Hier hätte ich mit dem 10mm-Objektiv ein wirklich gutes Bild machen können!
Egal! Ich werde einen Teufel tun, und auf einer Radreise 5 kg Fotoausrüstung mitschleppen! Die „Knippse“ muss reichen!

Karlsruche Hbf

In der Polizeiwache angekommen muss ich erstmal klingeln, bevor man mir durch eine Personenschleuse Einlass gewährt.
Ab hier wird es dann surreal!
Der Polizist sieht zwar aus wie ein solcher und bemüht sich offensichtlich, mein Anliegen ernsthaft aufzunehmen, artikuliert sich dabei aber in einem solchen Badener Dialekt, das ich größte Mühe habe, ernst zu bleiben!!!
Aaaaaaaahhhhhhhh!
Ich denke doch, das ich von einem Bundesbeamten hochdeutsch erwarten kann!
Das ist ja schliesslich keine Provinzwache hier.
Mein erster Gedanke: Wie kann man nur so nah an einem Land mit einer so schönen wie der französischen Sprache leben und dabei einen solch nervtötenden Dialekt entwickeln??
Mein zweiter Gedanke: Immigranten müssen in Deutschland bei der Einbürgerung einen Deutschtest absolvieren, nur um hier leben zu dürfen. Bundesbeamte müssen das offensichtlich nicht und dürfen sogar noch eine Waffe tragen!!!
Beschämend!!!
Ich schaffe es trotzdem irgendwie, wieder aus der Wache zu kommen, ohne einen Schreianfall zu bekommen!
Vielleicht haben auch die letzten paar recht einsamen Tage einfach dazu geführt, das ich auf solcherlei (Un-)Menschlichkeiten allergisch reagiere.
Aber die Zugfahrt nach Basel vor vier Tagen hat mir ja schon gezeigt, das es offensichtlich viele Menschen gibt, die ich einfach nicht leiden kann, jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht einfach mal den Mund halten oder sich nicht wie zivilisierte Menschen artikulieren können.
(Ich möchte auf diese erste Zugfahrt nicht weiter eingehen, aber trotzdem ausdrücklich davor warnen, mit zwei 18-jährigen Mädchen 2,5 Stunden in einem Großraumabteil zu verbringen. Es führt zu Gewaltfantasien!!)

Ich halte mich also für den Rest meiner Wartezeit von anderen Menschen fern, gönne mir noch einen Latte Macchiatto (diesmal nicht von McDonalds!) und fasse die Gedanken des heutigen Tages schon mal stichpunktartig zusammen.

Die Idee, mir das Karlruher Schloss anzusehen, schminke ich mir nach einem Blick nach draussen schnell wieder ab: Es giesst in Strömen!
(Wie mir eine liebe Arbeitskollegin im Nachhinein verraten hat, hätte sich der Ausflug auch nicht gelohnt, da das Schloss zur Zeit renoviert wird und daher die Fassade eingerüstet ist!)

Kurz vor der Abfahrt meines Zuges hört es dann doch mal kurz auf zu regnen, und ich kann doch eine Außenaufnahme des Bahnhofs machen, auch wenn die nicht viel hergibt.

Karlsruhe Hbf aussen

Dann geht es auf den Bahnsteig, und als der Zug einfährt, beginnt die hektische Suche nach einem Platz für das Rad.
Dazu muss man wissen, das nicht in jedem Wagen Platz für Fahrräder ist, und wenn, dann auch nur für zwei.
Da ich keine Reservierung habe muss ich darauf spekulieren, einen dieser Plätze zu finden, und der muss dann auch noch frei sein.
Ich habe Glück, sehe einen freien Platz, wuchte mein Rad in den Wagen und beginne mit dem aufwändigen Abbauen der Taschen und dem Aufhängen des Rades. (Leider gibt es hiervon kein Bild!)
Ich finde auch einen unreservierten Sitzplatz in der Nähe des Rades, stehe aber trotzdem nach jedem Halt auf, um zu sehen, ob nicht ein anderer Fahrgast Anspruch auf den Fahrradplatz erhebt. Denn laut Schild ist der für jemanden reserviert.
Aber ich habe Glück! Niemand mault mich an!

Die Fahrt vergeht mit mäßigen Aufregungen.
Die ältere Dame mir gegenüber ist sehr mitteilsam, aber irgendwie erinnert sie mich an meine Mum, und so geniesst sie das Glück einer hohen Vorschuss-Sympathie und ich unterhalte mich mit Ihr über alles mögliche, vor allem über meine Fahrradtour und darüber, das ihr Neffe auch viel Fahrrad fährt.
Die nervige Mutter einer ebenso nervigen und ohne Unterlass plappernden ca. 3-jährigen Tochter, die den Platz schräg gegenüber durch wüsten Waffelkonsum in eine Biomüll-Deponie verwandelt, erinnert mich hingegen an niemanden den ich mag!
Und da sie ihrer Tochter auch bei größter Lautstärke und maximalem Krümel-Ausstoß nur mit dem heutzutage anscheinend so populären antiautoritären mütterlichen Gleichmut begegnet, überfällt mich wieder einmal das Bedürfnis, einzuschreiten!
Aber ich schaffe es erfolgreich, das zu ignorieren und mir den Abschluss dieser kurzen aber eindrucksvollen Radreise nicht von nervigen Mitmenschen versauen zu lassen.

Gegen 17:00 komme ich wieder in Köln an und die Hektik des Hauptbahnhofes trifft mich wie ein Hammerschlag!
Ich schaffe mein Rad schnellstens aus dem Bahnhof und begebe mich auf die letzten paar Kilometer nach Hause.
Dort angekommen, geht´s ans Auspacken, Saubermachen und Aufräumen und ich bin froh, mir dafür den Montag auch noch frei genommen zu haben, denn heute gehe ich nur noch unter die Dusche und freue mich auf das Abendessen und den gemeinsamen Abend mit meiner Frau!

Nachtrag:
Ich bin jetzt seit fast 2 Wochen wieder zuhause und finde endlich Gelegenheit, diesen Artikel abzuschliessen.
Dabei lasse ich die ganze Tour noch einmal gedanklich Revue passieren und bin mit dem Ergebnis zufrieden:
Ich wollte vom Alltag abschalten und mal eine andere Perspektive geniessen. Ich wollte „entschleunigen“ und mir selbst ganz bewusst die Gelegenheit geben, die letzte Zeit noch einmal in meinem Kopf zu sortieren.
In der letzten Zeit ist sehr viel Schönes passiert: Ich habe u.a. geheiratet und bin unglaublich glücklich darüber!
Aber es ist leider auch Trauriges passiert und ich wollte mit dieser kurzen Zeit des Alleinseins auf meine Weise derer gedenken, die mich überhaupt erst auf die Idee gebracht haben, so etwas zu tun, denen ich aber leider nicht mehr davon berichten kann.
In meinen Gedanken waren sie stets bei mir und haben mich begleitet, haben den Sonnenaufgang mit mir genossen und mir bewusst gemacht, das ein paar müde Beine so schlimm nun auch nicht sind.

Ein Kollege hat mich nach dem Lesen der ersten beiden Tage gefragt, warum ich mir soviel Arbeit mache und jeden Tag dokumentiere.
Ich weiß jetzt die Antwort: Das Schreiben macht das Erlebte bewusster! Es bringt Erinnerungen wieder hervor, die sonst verloren gehen würden. Und es bringt mir die Gründe in Erinnerung, warum ich etwas tue.
Natürlich freue ich mich auch, wenn jemand liest, was ich schreibe und jeder positive Kommentar freut mich umso mehr.
Aber vor allem schreibe ich für mich!

Fazit: Es hat gut getan, mal abzuschalten. Und es hat auch gut getan, alles aufzuschreiben.
Das war sicher nicht die letzte Tour dieser Art!


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2 responses

10 12 2013
Logbuch? … Eigentlich eine gute Idee! | larsvegas@cologne

[…] zeitliche Strukturvorgabe zur Eigenmotivation nicht schaden! Darüber hinaus habe ich kürzlich im letzten Beitag meiner Rhein-Radtour selbst schon angemerkt, das das Aufschreiben mir das Erlebte bewusster macht und Erinnerungen […]

29 06 2014
Michael

Auch wenn Du unseren Dialekt nicht magst, danke für Deinen Reisebericht. Hat mich sehr gefreut das zu lesen! Gruß Michael

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